Was und wen vermissen sie, wie fühlen sie sich hier in der Schule, haben sie neue Freunde gewonnen ?

Sasha, Yanina, Ilya, Milana, Maria und Bogdan und viele andere ukrainische Kinder, sie alle sitzen nun meistens schon 2 Monate oder erst einige wenige Wochen

in den “Neu in Wien Klassen” für geflüchtete ukrainische Kinder. Sie nehmen teil am Deutsch Förderunterricht , ihre Köpfe rauchen vom vielen Deutsch lernen

und nebenbei bekommen sie auch Einblicke in die österreichische Kultur, Musik, Lebensart und lernen so täglich viele neue Inhalte kennen. Wir geben euch hier einen Einblick in unsere tägliche Arbeit als Deutsch FörderlehrerInnen in einer der WMS in Wien, die ukrainische Kinder aufgenommen haben. Seit März wuseln bei uns in der WMS auch 45 ukrainische Kinder aus vielen Teilen der Ukraine durch die Gänge und Klassenräume.

Es herrscht ein Sprachen Wirrwarr in den Klassenräumen, einige sprechen nur russisch, da sie aus Kiew gekommen sind, andere, meist aus kleinen Städten oder Dörfern, wie Vlad oder Bogdan sprechen nur ukrainisch, einige, wie Maria, können sehr gut englisch, sie war dort in einer englischsprachigen Schule. Andere hatten bereits einige Jahre Englisch in ihren Schulen und können sich auch mit mir ganz gut in englisch unterhalten.  Auch disziplinieren und neue Inhalte erklären funktioniert auf englisch meistens ganz gut, die anderen, die bislang kein Englisch hatten, denen wird von den besten englischsprechenden Kindern übersetzt. Denn meine versierte Muttersprachen Kollegin ist täglich immer nur 3h in unserer Klasse.

Zwei Stunden muss ich den täglichen Unterricht, so wie auch kreative Fächer, wie Musik, Zeichen und Malen oder Sport und Bewegung oder Rhythmik alleine bewältigen.

Mit 20 SchülerInnen, die erst 2 Monate oder 3 Wochen Deutsch sprechen, meist eine tägliche Herausforderung!

Es ist eine sehr inhomogene Gruppe, da Christoph Wiederkehr und die Bildungsdirektion Wien ein Konzept erarbeitet hat, die Kinder von 11- 14 Jahren nun in einer Klasse sitzen lässt. Es besteht allerdings naturgemäss ein großer Unterschied, zwischen einem 11 jährigen und einer 13 jährigen…keine Frage !

Als Lehrkraft wird man dabei zur “eierlegenden…..” Allrounderin….ungefragt!

Was auffällt, Kinder, wie Lisa und Ilya sind schon mit 12 – 13 Jahren kleine Nachwuchs IT Experten, sie waren in Kiev und anderen großen Städten in einer speziellen Informatikschule.

Manche sind schon gut hier angekommen, andere, wie Mago oder Maya kämpfen noch, sie sind geistig eher abwesend, verweigern teils den Deutsch Unterricht

oder müssen sich selbst beruhigen, indem sie ständig kleine Papierschachtel machen im Unterricht oder Gegenstände in ihren Händen monoton andauernd hin und herbewegen.

Dies sind normale Strategien des Gehirns, um ihre teils schrecklichen oder angstauslösenden Ereignisse besser verarbeiten zu können. Vor allem bei den Kindern und Jugendlichen, die erst 2-3 Wochen in unserer WMS Schule sind, lässt sich dies bemerken.

Wie meine Kollegin so treffend meinte ” Diese Kinder und Teenager hatten alle bis zum 24. Februar ein ganz normales Kinderleben in ihren jeweiligen Städten und Dörfern…

Am nächsten Tag war nichts mehr so, wie es früher war….

Bei einigen Kindern, die erst seit 2 bis 3 Wochen hier sind, trauen wir uns noch nicht nachfragen, was sie erlebt haben, die Kinder, die schon früh im März geflüchget waren, haben nur einige Wochen Krieg und Bomben erlebt, die anderen neuen schon fast 3 Monate…

Man merkt im täglichen Unterricht die Unterschiede in ihren Reaktionen, wie sie sich verhalten, wie sie am Unterricht teilnehmen oder teilnehmen können oder eben noch nicht!

Kinder, die angsttraumatisiert sind, können sich z.B: nicht so gut konzentrieren oder schauen eher in die Luft, lassen vieles an sich vorbeiziehen, sie schalten sich und ihre Umgebung ab. Andere werden schnell gereizt oder aggressiv und fallen durch ihr “Schlimmsein” auf. Dahinter stecken natürlich verständliche und gut erklärbare Gründe….

Nach einem Gespräch mit einer Traumatologin, wird uns klar, dass wir hier etwas leisten, wofür wir eigentlich teilweise nicht wirklich ausgebildet sind:

wir schaffen täglich den Spagat, zwischen wichtiger sozialpädagogischer Arbeit, Integration, Lerninhalten in der deutschen Sprache und Beziehungsaufbau. Holen die Mütter in die Schule, wenn Kinder gar nicht teilnehmen wollen oder besonders schlimm reagieren, sprechen mit den Kindern in unzähligen Einzelgesprächen, haben Geduld, Geduld, Geduld, viel Empathie und auch Humor und Interesse, wie es den Kindern geht. Sehen die kleinen Fortschritte, wenn Vlad plötzlich besser schreibt, Anna richtig dekliniert oder Ilya seine ersten Sätze auch in englisch sprechen kann, da wir die Kinder auch 2 h in Englisch pro Woche unterrichten.

Wichtig ist uns, den teils noch gestressten Kindern Abwechslung in wöchentlichen Exkursionen am Freitag zu bieten, in den Motorik Park, ins Museum, zu einem Stadt Spaziergang, wo wir alte Wiener Legenden erklären. So lernen sie nicht nur im Klassenraum, sondern ganzheitlich und meistens in Bewegung, da bewegte Kinder Inhalte besser aufnehmen und verarbeiten. Die Bewegung bietet ihnen einen wichtigen Freiraum, wo sie im Ausagieren und herumtoben ihre Erlebnisse vergessen können oder zumindest nicht ständig präsent haben! Mittlerweile haben die meisten neue Freundschaften und Allianzen gebildet, sie organisieren sich in der Freizeit in Gruppen, machen mitunter mit ihren Müttern und Omas, Opas Picknick oder einen Ausflug an die Donau!

Auch wir, als Lehrkräfte, haben schon viele ukrainische Omas, Opas, Tanten und Mütter besser kennengelernt, wir wissen um ihre Sorgen, Ängste und um ihre Unsicherheit, wann sie denn zurückkehren können, Bescheid, und versuchen auch ihnen durch unser tägliches kontinuierliches Tun und unsere Gespräche mit ihnen und ihren Kindern Stabilität, Sicherheit und ein gutes Gefühl zu geben!

Die Herausforderung bleibt, wer wird im Herbst hier sein, in welche Klassen werden sie kommen, können sie schon im Regelunterricht teilnehmen, wer braucht noch extra viel Nachhilfe oder sozialpädagogische Unterstützung, wo bekommen wir eine gute ukrainische sprechende Psychologin an unsere Schule, wird die 11 jährige Anja ihre Leukämie Erkrankung erfolgreich bekämpfen können mit der Therapie in Mailand?

Alles Fragen, die uns als engagierte, umsichtige Lehrkräfte mit sozialpädag. Ausbildungen innerlich sehr bewegen, berühren und mit denen wir uns täglich beschäftigen,

auch wir brauchen manchmal Unterstützung, …eine Supervision täte gut. Darauf warten wir derzeit noch…so wie die Kinder und ihre Mütter, Omas, Opas und die wenigen Väter, die hier sind, warten, wie es weitergeht und täglich mit mulmigen Gefühlen die Medien verfolgen, um zu wissen, was in ihrer Heimat aktuell passiert.

Sigrid Beckenbauer

über den täglichen Spagat in der WMS mit den 3 Ukraine Kinder Klassen

(Kinder zwischen 11 bis 14 Jahren)

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