Müssen Kinder zivilisiert werden?
Wie diese Frage zu beantworten ist, entscheidet ganz allein unser Menschenbild. Ganz vereinfacht könnte man auch fragen: Ist der Mensch gut oder ist er böse?
Für viele große Denker und Philosophen war die Antwort ganz klar: Der Mensch ist schlecht. Er ist auf den eigenen Vorteil bedacht, egoistisch und gierig. Auch unsere Wirtschaft baut auf diesem negativen Bild des Menschen auf, dem homo oeconomicus.
Doch entspricht dieses Menschenbild, dem die Menschheit schon so lange nachhängt, der Realität? Die Wissenschaft sagt ganz klar: Nein! Eine genauere Betrachtung des menschlichen Gehirns bestätigt eindeutig: Der Mensch ist ein zutiefst soziales Wesen, auf Kooperation und Gemeinschaft ausgelegt.
Eine wahre Geschichte, die mich zu diesem Thema besonders beeindruckt und soviel aussagt, möchte ich hier teilen:
Der Indianerälteste Manitoquat betreut Schwerverbrecher in einem eigens von ihm entwickelten Rehabilitierungsprogramm. Was daran besonders ist, ist dass die Rückfallquote der Schwerverbrecher nur 5-10% beträgt. Während sie bei Gefängnisbetreuung 65-85% ausmacht.
Was macht dieser Mann so anders?
Er weiß, dass die Natur des Menschen ursprünglich eine Gute ist. Aus dieser Haltung heraus begegnet er den Straftätern und gibt ihnen so wieder ihre Würde zurück. Er lehrt sie, wie sie auf gesunde Art und Weise mit ihren Gefühlen umgehen können. Er lässt sie wissen, dass es nicht ihre Schuld ist, dass sie als Kinder nicht das bekommen haben, was sie gebraucht hätten, um verantwortungsvolle, liebevolle Erwachsene zu werden. Gleichzeitig bekräftigt er, wie wichtig es für Opfer und Täter ist, Wiedergutmachung für die begangen Taten anzustreben.
Die Frage, ob Kinder zivilisiert werden müssen, wird damit hinfällig. Vielmehr sollten wir unseren Fokus darauf richten, wie wir als Erwachsene mit gutem Beispiel vorangehen können. Die Kinder geben das weiter, was wir ihnen vorleben. Was bleibt ihnen auch anderes übrig.
(Christina Spreitzer)